Bedingt durch die unbedachte Einleitung von ungeklärten Fäkalien und Abwasser verschlickte der Clyde, mit 176 km zehntlängste Fluss Großbritanniens, im 19.Jh. zunehmend immer mehr und immer schneller. Nicht nur die Schifffahrt und der Fischfang und somit die Lebensexistenz vieler Bewohner am Fluss waren davon betroffen, sondern auch der Lebensstandard. Vor allem litt der Gesundheitszustand der Menschen darunter.
Abhilfe musste schnellstens herbei. Nach großen Unruhen wurden in Dalmarnock (1894) Dalmuir (1904) und Shieldhall (1910) Kläranlagen gebaut. Aber schon nach recht kurzer Zeit waren deren Kapazitäten vollkommen erschöpft. Jetzt hatte man wieder ein Problem. Wohin mit dem geklärten Schlamm? Am besten natürlich weit entfernt der Küste, ins tiefe Meer. Und wie?
Die Klärschlamm-Schiffe wurden gebaut
Spezielle Schiffe mussten herbei. Das erste Schiff, von der Glasgow Corporation bestellt, war 1904 die „SS Dalmuir“, gefolgt von der ersten „Shieldhall“ im Jahr 1910. Beide Schiffe hatten einen Doppelschrauben-Antrieb und eine maximale Ladekapazität von bis zu 1500 Tonnen. Der Vorteil dieser Antriebsart war das bessere Manövrieren im engen Fahrwasser des Flusses. Bis zur Fertigstellung der letzten beiden Schiffe in den 1970er Jahren, die dann über Verstell-Propeller und Bugstrahlruder verfügten, wurde diese Antriebsart für alle Schlammschiffe gewählt. So auch für den Dampfer Shieldhall (2). 1922 wurde das erste Schiff, die DALMUIR, verkauft und zu einem Tankschiff umgebaut. Von 1925 bis 1955 versahen zwei ähnliche Schiffe, die Dampfer SS Dalmarnock (1) und SS Shieldhall (1), mit Ausnahme des 2.Weltkrieges, treu ihren „Fäkalien“-Dienst auf dem Clyde und in der schottischen Küstenregion. 1941 versenkte eine deutsche Mine das Liverpooler Klärschlamm-Schiff während einer Fahrt auf dem Mersey. Um Abhilfe zu schaffen, wurde SS Shieldhall (1) bis 1947 kurzerhand an die Manchester Corporation ausgeliehen.
Eine lange Tradition mit netter Geste
Alle ersten Schiffe wurden mit Passagier-Einrichtungen gebaut. Sie nahmen in den Sommermonaten auch Tagespassagiere für einen Ausflug mit. Das beruhte auf einer langen Tradition. Es wird berichtet, dass es sich vor dem 1.Weltkrieg überwiegend um ältere Personen der relativ armen Küstenbewohner handelte, die sich normalerweise keinen erholsamen „Seh“-Tag auf dem Meer und Fluss leisten konnten. Die Tradition setzten genesene Soldaten und Frauen fort. Später durften auch andere Gruppen mitfahren. Bis hin zur heutigen Shiedhall (2). Auf den letzten drei Schiffen konnten keine Passagiere mehr mitfahren. Dafür aber mehr Fäkalien-Schlamm.
Es lebe das goldene Zeitalter des Volldampfes
Die SS SHIELDHALL (2) ist eines der letzten beeindruckenden Dampfschiffe, die noch heute voll funktionsfähig und mit einem Kolbendampfantrieb ausgestattet sind. Früher verkehrte es regelmäßig auf dem Clyde in Schottland. Heute hat das historische Schiff seinen Heimathafen in Southampton. Und wie es dazu kam, liest du in den folgenden Abschnitten.
Die heutige Shieldhall wurde gebaut
Das „Licht der Welt“ erblickte das Dampfschiff, wie es sich gehört, in Schottland. Genau da, wo auch das Fahrgebiet des Schiffes war. Auf den Helgen der Lobnitz & Company in Renfrew. Die Werft konstruierte nicht nur das Schiff in klassischen Linien eines Tankschiffs aus den 1920er Jahren, sondern auch die beiden Dreifachexpansionsdampfmaschinen, die ähnlich wie bei der RMS Titanic, vertikal angeordnet sind. Diese Technologie, die das letzte Viertel des 19.Jh. repräsentierte, in dem bereits der Dieselmotor seinen Siegeszug antrat, war bereits beim Bau, mechanisch schon veraltet. Nach der Patentierung des ersten Kompressionszündungsmotors im Jahr 1892, baute 1897 der deutsche Erfinder und Maschinenbauingenieur Rudolf Diesel erfolgreich den ersten Prototyp eines Dieselmotors. Dennoch entschied man sich ganz bewusst für den Einbau dieser robusten Motoren mit offener Kurbel. Und sie funktionieren bis heute sehr verlässlich. Der Rumpf ist genietet und geschweißt. Das ist im britischen Schiffsbau ein ungewöhnliches Merkmal aus der Übergangsphase, als das Schweißen die genietete Praxis ablöste. Und das Steuerhaus mit den Mannschaftswohnräumen setzte man einfach mittschiffs drauf. Das war zwar beim Laden von Fäkalienschlamm hinderlich, doch hatte es gewiss auch Vorteile. So waren die Kommandobrücke und die Wohnräume weitgehend von dem Dröhnen und Vibrieren der Motoren befreit. Der leicht geneigte Bug und das Kreuzerheck garantiert noch immer gute Seetauglichkeit. Nach der Kiellegung im Oktober 1954, erfolgte bereits 8 Monate später, am 07.Juli 1955, der Stapellauf. Bei typischem Schottland-Wetter wurde das Schiff feierlich seinem Element übergeben. Nach einer rund einjährigen Bauzeit begann mit der Indienststellung im Herbst 1955 für das Schiff der „Ernst des Lebens“.
Treuer Dienst in Sachen Sauberkeit
Nach fleißigen 21 Dienstjahren übernahmen Schiffe mit mehr Ladekapazität die Aufgaben auf dem Clyde. Die SS Shieldhall wurde aufgelegt und 1977 nach Southampton verkauft. Auch hier transportierte das Schiff Klärschlamm aus den Southampton-Stadtteilen Marchwood, Millbrook und Woolston in ein Gebiet südlich der Isle of Wight. Doch das lediglich für eine relativ kurze Zeit. Denn steigende Treibstoffpreise und Betriebskosten zwangen den Eigentümer, das Schiff im Juli 1985 endgültig aufzugeben. Kostengünstigere größere Schiffe übernahmen die Tätigkeit. Der Dampfer wurde zur Verschrottung freigegeben.
Heute ein außergewöhnliches Museumsschiff
Aber aufgrund eines einzigartigen Dampfantriebssystems und vieler Merkmale aus der Zeit des 19.Jh., durfte das Schiff auf gar keinen Fall verschrottet werden. Zu groß war das Interesse, das Schiff der Nachwelt erhalten zuhalten. Die Engländer sind wahre Weltmeister, wenn es darum geht, die Vergangenheit für die Nachwelt zu erhalten. Und das tun sie voller Enthusiasmus. Daher wurde sofort nach Bekanntwerden der Außerdienststellung eine aktive Aufbewahrung in Betracht gezogen. Die neugefründeten Auffanggesellschaft The Solent Steam Packet kaufte 1988 das Schiff für nur 20.000 Pfund und rettete es so vor dem Schneidbrenner. Dies entsprach dem „Schrottwert“. In vielen ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen hauchten Freiwillige in ihrer Freizeit dem Schiff wieder Leben ein und versetzten es mit viel Herzblut wieder in einen seetüchtigen Zustand. Heute gilt die SS Shieldhall als das größte in Betrieb befindliche Dampfschiff Nordeuropas. An seiner Popularität hat das Schiff bis heute nichts verloren. Mit Bravour meisterte der Veteran zahlreiche Filmauftritte. In Floella Benjamins Film „Coming to England“ repräsentierte es die Begona, ein spanisches Schiff. Und in „Myths of the Titanic“ hieß es plötzlich RMS Titanic.
Treffen zweier Dampf-Veteranen
Einmal im Jahr treffen sich der letzte hochseetaugliche Schaufelrad-Dampfer Waverley (https://luxus-reise365.com/dampfschiff-waverley-schottland) und das Dampfschiff Shieldhall vor der Isle of Wight. Denn beide Veteranen haben viele Gemeinsamkeiten. Bis zum Verkauf der SS Shiedhall fuhren beide Schiffe auf dem Clyde und in den angrenzenden Küstenregionen. Auch den Dampfantrieb und den Enthusiasmus zum Erhalt dieser Schätze haben die beiden Schiffe gemeinsam. Als Museumsschiff bietet die SS SHIELDHALL dir die Möglichkeit die Funktionsweise eines Kolbendampfantriebs hautnah zu erleben. Komm an Bord und sei ein Zeitzeuge maritimer Geschichte.
Flagge | Großbritannien |
Name | Shieldhall |
Eigentümer | Glasgow Gesellschaft 1955-1976 |
Southern Water Authority 1977-1985 | |
The Solent Steam Packet Ltd 1988 | |
Heimat | Glasgow |
Bauwerft | Erbauer Lobnitz & Co. in Renfrew, Schottland |
Baukosten | damalige 291.000 £ |
Baunummer | 1132 |
Kiellegung | Okt 54 |
Stapellauf | 07. Jul 55 |
Indienst | 16. Okt 55 |
Kennung | offizielle britische Nummer: 185030 |
IMO-Nummer | 5322752 |
Status | aktives Museumsschiff |
Größe | 1792 BRZ |
Länge | 81,69 m |
Breite | 13,56 m |
Tiefgang | 4,11 m |
Motorleistung | 2 Dreifach-Expansions-Dampfmaschinen mit je 800 IHP |
Antrieb | Doppelschraube |
Geschwindigkeit | Betrieb: 9 Knoten (17 km/h) |
Höchstgeschwindigkeit: 13 Knoten (24 km/h) | |
Ladekapazität | 1812 Tonnen Klärschlamm |
Besatzung | 12 |
Passgiere | 80 |