Dresden 1958

Die gute alte Zeit…irgendwie genauso wie heute. Hektik und Stress bestimmen den Alltag. An einem Freitagmorgen im Jahr 1958 in Dresden. 07:11 Uhr: “Auf Wiedersehen, mein Schatz. Gute Reise und viel Erfolg in Berlin…“ Noch ein flüchtiger Kuss, wieder mal eile ich auf die letzte Minute  zur Bushaltestelle.

Gerade noch erwische ich den Bus der Linie 261. Ein neuer Henschel HS 160. Bin echt begeistert, unsere Stadtväter investieren in den öffentlichen Nahverkehr. Freundlich grüßt mich der Fahrer. Der Omnibus ist vollbesetzt mit Menschen, die zur Arbeit fahren. So bleibt mir noch ein Stehplatz übrig. Am Albertplatz steige ich in die Straßenbahn. „Der Große Hecht“ der Linie 7 bringt mich rumpelnd und zuckelnd direkt zum Hauptbahnhof Dresden.

Emsiges Treiben an den Bahnsteigen. Noch schnell eine Zeitung kaufen, da kommt im Frühnebel auch schon die 01 an den Bahnsteig heran gerollt, um sich sanft an die Spitze des Schnellzuges „Elbflorenz“ zu setzen. Ein Rangierer steht bereit und kuppelt gekonnt Waggons und Dampflok zusammen. Mir bleibt noch Zeit, sich ein gemütliches Abteil zu suchen. Durch das geöffnete Schiebefenster rieche ich den Dampf und schaue gelassen auf das hektische Drumherum am Bahnsteig. Die Flügel des Ausfahrtsignals sind schon nach oben geklappt, der Zugführer lässt die Türen der Waggons scheppernd ins Schloss fallen und beobachtet genauestens den Bahnsteig entlang der Wagenschlange. Schon pfeift die Bahnhofaufsicht, hebt die Kelle für den Abfahrauftrag.

Der Lokführer öffnet die Ventile. Laut zischend entweicht der Dampf aus den Zylinderventilen, die ersten Auspuffschläge krachen in den Himmel, die Dampflok bringt den Zug langsam in Bewegung. Fauchend und dampfend zieht sie den Zug in nur etwas mehr als 2 Stunden durch die Landschaft, Berlin entgegen. Kurz vor dem Ziel beginnt täglich der Kampf der Giganten. Die 41 mit dem Schnellzug aus Cottbus fährt auf dem Nebengleis fast an uns vorbei. Unserem Lokführer gefällt das überhaupt nicht. Er schiebt den Regler weiter auf. Donnernd, fauchend und mit satten Dampfschlägen überholen wir wieder. Dann nähert sich die 41 erneut, so geht es die nächsten 5 Kilometer. Einige Schaufeln zusätzliche Kohle und eine Menge Schweiß des Heizers kosten uns dieses Schauspiel. Kaum ist die 41 wieder neben uns (es sind nur noch 500 m bis uns die Streckengleise wieder trennen), stellt unser Lokführer die Ventile auf „Entwässern“. Vor lauter ausströmenden Dampf ist der andere Zug nicht mehr zu erkennen. Auch der 41er-Lokführer kann nicht mehr sehen und muss die Geschwindigkeit reduzieren. Das ist schon etwas gemein! Aber das „Dreigestirn“ der 41 bleibt zurück. Hurra, wir haben gewonnen!

21 min später rollt mit uns zeitgleich der „Interzonenzug“ aus Köln auf Gleis 7 in den Ost-Bahnhof ein. Er hatte wieder einige Stunden Verspätung. „Berlin – tut jut“. Willkommen in der deutschen Hauptstadt. Bis zur abendlichen Rückfahrt habe ich nun Zeit meine Geschäftstermine in Berlin zu erledigen.

All das kann man auch am Freitag, 14.04.2023 erleben, wenn in Dresden anlässlich des 15. Dresdner Dampfloktreffens die Zeit zurückgedreht und Bahnnostalgie zu einem unvergesslichen Erlebnis wird.

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